Sicherheitsaufzug
Jürgen Walter von der Berufsfeuerwehr Frankfurt im Jahr 2005 beim Modul 7 (Krankenhäuser, Heime…) der Fachplaner Brandschutz Fortbildung der Ingenieurkammer Hessen hat dort, für mich das erste Mal, über diese Sicherheitsaufzüge vorgetragen und gab den Anstoß bei mir.
Als bisher einziges Bundesland hat Berlin dazu richtige Verordnungen gemacht. Im Juni 2000 erlassen eine eigene "Verordnung über die Evakuierung von Rollstuhlbenutzern (EvakVO)". Sie löste die Verordnung über Rettungswege für Behinderte (Behindertenrettungswege-Verordnung - BeRettVO -) vom 15. November 1996 ab, die auch schon eine Selbstrettung bei überdurchschnittlicher Nutzung vorschrieb. Die habe ich in den download gesetzt, weil dort schon in 1996 genaue Anforderungen an die Aufzüge gestellt wurden. Da haben wir in Hessen und anderen Bundesländern noch ganz ruhig einige Jahre weiter geschlafen. Die EvakVO gilt für betriebliche Maßnahmen gemäß der Bauordnung für Berlin für öffentlich zugängliche bauliche Anlagen, die nicht überdurchschnittlich, d. h. bis 1 v. H. bezogen auf die Besucher, von Rollstuhlbenutzern genutzt werden. Bei einer Nutzung durch bis zu drei Rollstuhlbenutzern reichen betriebliche Maßnahmen für die Rettung dieses Personenkreises aus. Darin ist unter anderem festgelegt, dass alle Mitarbeiter mindestes einmal im Jahr über das korrekte Verhalten im Gefahrenfall und die entsprechenden Hilfeleistungen für Rollstuhlfahrer geschult werden müssen. Bei überdurchschnittlicher Nutzung bzw. mehr als 3 Rollstuhlfahrer in Obergeschossen sind Selbstrettungsmöglichkeiten der Rollstuhlfahrer vorzusehen, da hier die Fremdrettung durch betriebliche Maßnahmen (trotz jährlicher Übung) nicht mehr ausreichen. So in Berlin.
In Hessen: Die Feuerwehr übernimmt die Rettung durch runtertragen oder hofft darauf dass das Kabel im Keller noch gut genug ist, um den Aufzug wieder in Betrieb zu nehmen?
Gehbehinderte und Rollstuhlfahrer können bei einem Weiterbetrieb eine Selbstrettung aus den Obergeschossen durchführen. Die sonst erforderliche Brandfallschaltung des Aufzuges bei Auslösen eines Rauchmelders würde diese Selbstrettung ausschließen, deshalb entfällt sie.
Für eine solchen Personenaufzug ist dann natürlich eine sichere Stromversorgung erforderlich. Aus brandschutztechnischer Sicht ist die Installation einer besonders gesicherten Leitungsanlage vertretbar, wenn der Aufzug an das öffentliche Netz über „Sprinklerpumpenschaltung“ angeschlossen wird. So wird der Weiterbetrieb des Aufzuges auch bei Ausfall der allgemeinen Stromversorgung im Gebäude möglich. Eine separate Notstromversorgung ist nicht erforderlich. Die Ausfallwahrscheinlichkeit der Stromversorgung im öffentlichen Netz ist sehr gering. Die Wahrscheinlichkeit, dass es im Gebäude brennt, der Aufzug weiter betrieben werden muss damit die Selbstrettung der Handicapt möglich ist und gleichzeitig ein Netzausfall im öffentlichen Netz vorhanden ist, geht gegen Null. Die Betriebssicherheit der Aufzugstechnik selbst ist sehr hoch. Mir persönlich ist kein Fall eines Brandes der Aufzugstechnik im Aufzugsschacht bekannt. Da haben sicher die Aufzugshersteller bessere Informationen. Unterstellt man trotzdem einen Brand und Verrauchung im Aufzugsschacht ist eine Selbstrettung der Handicapt nicht mehr möglich. Sie ist aber auch nicht erforderlich, denn durch den Schacht im Treppenraum oder wie ein Treppenraum gebaut mit Entrauchung ist keine Ausbreitung von Feuer und Rauch ins Gebäude zu unterstellen. Unter Umständen ist das Feuer dann alleine mangels Masse im Aufzugschacht erloschen, auch ohne zutun der Feuerwehr. Hier ist in jedem Fall jedoch genügend Zeit um eine Fremdrettung über einen Treppenraum durchzuführen. Zwei gleichzeitig im Gebäude und im Aufzugsschacht auftretende Brände müssen nicht betrachtet werden.
EN 81 Teil 70 „Aufzüge für Behinderte“ enthält keine Brandschutzanforderungen.
Die neue VDI Richtlinie 6017 - Aufzüge im Brandfall - kennt für die Verlängerung der Betriebszeiten von Aufzügen verschiedene Stufen:
Stufe A beschreibt ein Konzept in dem die Betriebszeit für den Aufzug im Brandfall nicht verlängert werden kann. Sofern eine Brandmeldung an den Aufzug erfolgt, kann der Aufzug durch eine Brandfallsteuerung in eine Bestimmungshaltestelle gesendet und dort stillgesetzt werden.
Stufe B beschreibt ein Konzept, das es ermöglicht einen begrenzten Weiterbetrieb des Aufzuges bei unkritischen Brandereignissen zuzulassen (Gegenstand dieser VDI-Richtlinie).
Stufe C beschreibt ein Konzept mit dem Gebäude mittels Aufzug evakuiert werden können. Die Anforderungen an die Evakuierungsaufzüge werden in EN 81-76 beschrieben (nicht Gegenstand dieser VDI-Richtlinie). Die Anforderungen an Evakuierungsaufzüge werden neu in prCEN/TR 81-76 „Evacuation of disabled persons using lifts“ beschrieben. Gibt es im Moment nur als Englischen Entwurf von Sept.2006. Da ist ein Bild für den Brandfall drin:
Diese EN 81-76 ergänzt später die harmonisierte EN 81-73 „Verhalten von Aufzügen im Brandfall“.
Stufe D beschreibt ein Konzept in dem Aufzüge für den Einsatz der Feuerwehr genutzt werden können. Die Anforderungen an Feuerwehraufzüge sind in EN 81-72 beschrieben (nicht Gegenstand dieser VDI-Richtlinie). In Europa ist man schon bald soweit. Der Sicherheitsaufzug dient der eigenständigen Rettung von Behinderten als erster Rettungsweg.